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Martin Körner: „Stuttgart hat seine Hausaufgaben beim Klimaschutz leider nicht gemacht.”

Veröffentlicht am 12.04.2019 in Gemeinderatsfraktion

Wir dokumentieren in ganzer Länge: Die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Martin Körner in der Generaldebatte zum Klimaschutz am 11. April 2019. Darin wendet er scih explizit an die VertreterInnen von Fridays for Future, den SchülerInnenprotesten, die seit Wochen jeden Freitag stattfinden: "Mir hat ein Spruch ganz gut gefallen bei den Demonstrationen. Der Ausspruch: „Wir streiken, weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben und ihr nicht.“ Und darum geht es heute ja auch bei dieser Debatte. Stuttgart hat nämlich seine Hausaufgaben leider bis dato nicht gemacht."

Liebe Frau Sauter, lieber Herr Epple,

als Mitglied des Gemeinderats möchte Ihnen erstmal sagen, dass ich es sehr bedauere, dass der Gemeinderat insgesamt heute nicht in der Lage war, ein guter Gastgeber zu sein. Das tut mir leid. Ich bedauere das aber nicht nur, sondern ich möchte sie auch ermutigen, weil das, was sie freitags machen, der beste Gemeinschaftskundeunterricht ist, den man sich nur wünschen kann. Herzlichen Glückwunsch!

Zweitens: Es sind solche Bewegungen, die etwas bewegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das hat es in ganz vielen Zeiten unserer Republik aber auch in anderen Ländern gegeben, dass solche Bewegungen etwas bewegen und deshalb ist es gut und richtig, dass sie so unterwegs sind.

Mir hat ein Spruch ganz gut gefallen bei den Demonstrationen. Der Ausspruch: „Wir streiken, weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben und ihr nicht.“ Und darum geht es heute ja auch bei dieser Debatte. Stuttgart hat nämlich seine Hausaufgaben leider bis dato nicht gemacht. Und, Herr Oberbürgermeister, sie haben zur Treibhausgasbilanz eine Zahl genannt, da wäre meine Bitte, dass sie im Nachgang der Sitzung uns die nochmal nachweisen können. Sie haben behauptet, dass die Treibhausgase, vielleicht haben sie auch von CO2 gesprochen, das ist ja das wichtigste Treibhausgas, in Stuttgart seit 1990 um 31% zurückgegangen sei. Ich verweise auf den Masterplan Klimaschutz, vorgelegt vom Amt für Umweltschutz, wo wir für 2014 einen Rückgang um 22% ausweisen für Stuttgart. Und die Zahl, die ich dort darüber hinaus gefunden hab, ist eine Zahl des statistischen Landesamtes und diese Zahl besagt, dass die CO2-Emissionen in der Landeshauptstadt Stuttgart um 2014 nach 2016 nicht etwa weiter gesunken seien, sondern um 7% gestiegen sind. Deshalb habe ich die Bitte, dass sie uns diese Zahl, die ja wichtig ist auch in der bundespolitischen Debatte […] bitte darstellen. Tatsache ist, dass in den Veröffentlichungen der Stadt, die uns vorliegen, eine wesentlich schlechtere Bilanz Stuttgarts nachzuweisen ist bei der Reduktion von Treibhausgasen, als bundesweit festzustellen ist. Das ist auch nicht allzu verwunderlich, weil wir eine Industriestadt sind mit starker Wirtschaft. Und da ist der Wandel von emissionsbelastender Energieerzeugung zu erneuerbaren Energien schwieriger, aber das bedeutet gar nichts, auch wir haben die größere Verantwortung.

Herr Oberbürgermeister, sie haben das Thema erneuerbare Energien angesprochen. Der Kollege Kotz hatte ja völlig recht: 11 PV-Anlagen auf städtischen Dächern im letzten Jahr ist auch ein Beleg dafür, dass Stuttgart leider seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. In der Solarbundesliga, in der die großen deutschen Städte verglichen werden, ab einer Größenordnung von über 100.000 Einwohnern, rangiert Stuttgart leider nur auf dem Platz 27. Da sind uns andere Städte wesentlich voraus. Und, Herr Oberbürgermeister, wenn wir die Investitionen der Stadtwerke in erneuerbare Energien in die Energiewende betrachten, dann müssen wir leider feststellen, dass der Sprung vom Ausbau der Windkraft auf den anderen Teilen der Republik zur sogenannten urbanen Energiewende – das heißt, wir machen nicht mehr Windkraft, sondern wir versuchen in den Quartieren vor allem Wärmewende voranzubringen – noch nicht gelungen ist. Die Investitionen der Stadtwerke sind in den vergangenen 2, 3 Jahren dramatisch eingebrochen, was die Investitionen in die erneuerbaren Energien angelangt, weil wir aus der Windkraft ausgestiegen sind. Und noch in nichts Neues eingestiegen sind. In wenig Neues eingestiegen sind. Und das ist erstmal zu konstatieren. Und – ich füge das hinzu – und das in einer Stadt wo die grüne Partei, und davor habe ich Respekt, seit 10 Jahren eine ganz entscheidende Rolle spielt. Und das ist erstmal eine ernüchternde Bilanz, liebe Kolleginnen und Kollegen, die dann auch uns alle angeht, aber die wir auch erstmal konstatieren müssen. Jetzt, was ist zu tun?

Dass das Thema nicht nur ein kommunales ist, darauf habt ihr sehr deutlich hingewiesen. Global haben wir zum Glück – und das ist ein Fortschritt – das Pariser Klimaschutzabkommen. Kyoto der Neunziger Jahre wendete sich ausschließlich an die Industrieländer. In Paris haben wir erstmal alle Länder im Boot, fast 200 Länder, die sich verpflichtet haben, für ihr Land eigene Klimaschutzziele zu formulieren und bis 2050 die Treibhausgase herunter zu bringen. Das ist, weil es ein globales Thema ist, ein Riesenfortschritt. Sie müssen wissen, momentan sind im Süden dieser Weltkugel 1300 neue Kohlekraftwerke in Planung. 1300 neue Kohlekraftwerke! Das heißt, das ist ein globales Thema. Und deswegen ist das Pariser Klimaschutzabkommen so wichtig. Und im Übrigen, Herr Oberbürgermeister, sie haben die Parteien angesprochen, die in Berlin regieren. Ja, das war auch ein Erfolg der Bundesregierung, die getragen ist von SPD und Union.

Zweitens, die Bundesebene: Weil die Bundesregierung da mehr machen muss, weil jetzt muss sie ja sagen, was sie in Deutschland erreichen will. Das Klimaschutzgesetz muss dieses Jahr verabschiedet werden. Der Entwurf liegt vor -- übrigens die Bundes-Umweltministerin der SPD hat den Entwurf vorgelegt. Er sieht eine CO2 Abgabe vor. Wir müssen uns sehr gut darüber unterhalten, wie wir die soziale Balance bei der CO2 Abgabe behalten. Das finde ich, ist wichtig, aber wir brauchen sie als zentrales Steuerungsinstrument und das ist ein marktwirtschaftliches Instrument, weil nämlich die Kosten, die durch den Klimawandel entstehen in die Preise endlich reinkommen, damit die Preise auch der Wahrheit entsprechen.

Und jetzt hier in Stuttgart. Was ist zu tun? Wie sieht es aus mit unserem Energieverbrauch? Ungefähr die Hälfte unserer Energie landet in der Wärmeerzeugung, dass es hier warm ist. 30% im Strom, 20% in der Mobilität. Und wenn wir den Strom anschauen, wissen wir, dass heute ungefähr 1% -- 1%! – unseres Stromverbrauchs aus erneuerbarer Stromproduktion aus dem Stadtgebiet stammt. Deswegen Herr Oberbürgermeister, auch das ist mehr Polit-Marketing als alles andere, wenn sie den erneuerbaren Energieanteil in Stuttgart bei 18% sehen und wir uns als Ziel setzen 20% in 2020, weil wir genau wissen, 90% davon findet gar nicht in Stuttgart statt. Sondern, der allergrößte Zuwachs bei den erneuerbaren Energien, da profitieren wir von der Energiewende, die bundesweit stattfindet, weil wir nämlich den allergrößten Teil des Stroms nach Stuttgart importieren. Deswegen, weil die Wärme das entscheidende in Stuttgart ist, muss Klimaschutzpolitik in Stuttgart Wärmepolitik sein. Hier muss eine Wärmewende stattfinden. Und das ist nicht leicht. Aber wir können ein paar Sachen machen.

Erstens: Das neue Rosensteinquartier muss ein klimaneutrales Quartier sein. Da müssen wir zeigen – und in anderen Quartieren auch – dass wir neue Stadtquartiere bauen können, die klimaneutral sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: „Ja, wir brauchen viele neue Wohnungen. Da führt kein Weg dran vorbei.“ Zitatende Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Wir brauchen diese Wohnungen! Wir schlagen zweitens vor: Beim SVV, das ist eine Gesellschaft der Stadt, die unter anderem die Beteiligung an den Stadtwerken hält, liegen 500 Millionen Euro auf der hohen Kante. 300 Millionen Euro davon müssen in den kommenden Jahren in diese Wärmewende investiert werden. Das muss man mal endlich auf den Weg bringen, Herr Oberbürgermeister! Und zwar in dezentrale Quartierskonzepte, weil wir weg müssen von der zentralen Energieerzeugung zu dezentralen Energieerzeugungen, damit wir nah dran sind bei denen, die die Wärme brauchen, nämlich da, wo die Menschen wohnen. Zum Beispiel am Stöckach, nicht weit von dort, wo ich wohne, gibt es ein fertiges Quartierskonzept für eine dezentrale Wärmeversorgung. Seit 5 Jahren liegt das auf dem Tisch. Von einer Umsetzung nichts zu spüren. Warum? Weil die EnBW Kollegen ein Energiekonzern des Landes, Grünen regiert, und die Landeshauptstadt Stuttgart, auch mit einem grünen Oberbürgermeister, es seit Jahren nicht fertig bekommen, gemeinsam einen Plan für die Wärmewende in Stuttgart auf den Tisch zu legen. Sondern man trifft sich ausschließlich vor Gericht. Nur vor Gericht! Und von einer Wärmewende nichts zu spüren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen ist es entscheidend für die Energiewende und die Wärmewende in Stuttgart, dass sich Stadt und Land endlich an einen Tisch setzen und den Kohleausstieg in Altbach endlich machen! Da wird doch Kohle verfeuert heute für unsere Wärme hier im Rathaus, heute und jetzt. Der Kohleausstieg den die Bundesregierung jetzt auf den Weg bringt zum Glück, bis 2038 spätestens, möglichst bis 2035. [..] bringt aber in den nächsten 4 Jahren immerhin 12 Gigawattstunden Kohle vom Netz. 24 Steinkohlkraftwerke. Da müssen die beiden Blöcke in Altbach dabei sein, Herr Oberbürgermeister. Und, da muss Münster insofern dabei sein, dass man dort aus der Kohlezufeuerung endlich auch aussteigen müssen und das müssen wir gemeinsam mit dem Land auf den Weg bringen und das Geld dafür ist da.

Das waren 3 kurze Vorschläge. Ich muss gestehen, bei dem ein oder anderen Redebeitrag heute, da […], weil das radikal ist, was ihr da fordert. Bis mir dann klar ist, erstens, dass ihr jung seid und so formulieren müsst und zweitens, dass die Ungeduld nachvollziehbar ist. Die Ungeduld ist nachvollziehbar, weil hier sowas passiert wie am Stöckach. Die Ungeduld habe ich auch. Da liegt ein fertiges Quartierskonzept auf dem Tisch und nichts bewegt sich. Oder nehmen wir den Masterplan Klimaschutz. Den haben wir vor anderthalb Jahren nicht zustimmend zur Kenntnis genommen, sondern nur zur Kenntnis genommen und gesagt, wir wollen im Frühjahr 18 mit dem Fachbeirat darüber reden. Über welche Maßnahmen reden wir überhaupt? Bis heute hat diese Sitzung so nicht stattgefunden, Herr Oberbürgermeister. Ich weiß, sie kommen damit jetzt im Mai, aber auch das macht mich ungeduldig.

Vorletzter Punkt: Ihr sprecht von „der“ Politik. Meine Bitte an euch ist, bitte schaut euch „die“ Politik genauer an! Das erneuerbare Energiengesetz ist seit dem 1. April 2000 in Kraft. Als ich so alt war wie ihr, da gab es gar keine erneuerbaren Energien. Da gab es ein bisschen Wasserkraft, aber mein Physiklehrer hat mir damals von der Windkraft vorgeschwärmt. Das gab’s damals noch gar nicht. Und mit dem erneuerbaren Energiengesetz, was Hermann Scheer geschrieben hat, hier in Waiblingen, ein SPD-Bundestagsabgeordneter und was die SPD mit den Grünen – mit Fritz Kuhn im Übrigen – durchgesetzt hat, hat den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland auf fast 40% erhöht. Das ist ein Riesenerfolg, den wir geschafft haben. Letzter Punkt: Das zeigt, dass man optimistisch sein kann, weil man was bewegen kann. Geht in die Politik! Demonstriert, aber geht auch in die Politik! Und bewerbt euch auch bei Wahlen zum Gemeinderat, zum Europaparlament, zum Bundestag und macht es! Respekt vor eurer Arbeit. Jetzt müssen wir es angehen! Vielen Dank!

 

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